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Ein Pflichtverteidiger wird im deutschen Strafprozess immer dann bestellt, wenn es sich bei dem vor Gericht verhandelten Fall um eine sogenannte „notwendige Verteidigung“ handelt. Ob ein Verteidiger vom Gericht beigeordnet wird, richtet sich also nicht primär nach den Wünschen des Angeklagten. Anders als es in Filmen häufig dargestellt wird, ist die Bestellung eines Pflichtverteidigers nicht allein davon abhängig, ob der Angeklagte die finanziellen Mittel hat sich einen anderen Anwalt zu leisten.

Was genau versteht man unter einem Pflichtverteidiger?
Es handelt sich beim Pflichtverteidiger nicht um eine feststehende Berufsbezeichnung oder eine bestimmte Qualifikation wie dies beispielsweise bei einem Fachanwalt der Fall ist. Pflichtverteidiger sind auch nicht bei Gericht oder bei den Staatsanwaltschaften beschäftigt. Vielmehr kann theoretisch jeder Rechtsanwalt zum Pflichtverteidiger bestellt werden. Ein Pflichtverteidiger muss immer dann vom Gericht beauftragt werden, wenn ein Fall der sogenannten notwendigen Verteidigung vorliegt.

Was ist eine notwendige Verteidigung?

Eine notwendige Verteidigung nach § 140 StPO l liegt dann vor, wenn die betreffende Gerichtsverhandlung vor dem Oberlandesgericht oder dem Landgericht verhandelt wird oder wenn es in dem Strafverfahren um den Vorwurf eines Verbrechens geht. Unter einem Verbrechen versteht man eine Tat, die mindestens mit 1 Jahr Freiheitsstrafe geahndet wird. Auch dann, wenn der Angeklagte bereits in Untersuchungshaft sitzt, muss ihm ein Pflichtverteidiger beigeordnet werden, sollte der Angeklagte sich nicht bereits einen eigenen Anwalt, einen sogenannten Wahlverteidiger, gesucht haben.
Ebenfalls vom § 140 StPO l erfasst ist der Fall, dass in dem zu verhandelnden Fall eine besonders schwierige Rechts- oder Sachlage vorliegt. Ebenfalls ist dann ein Fall der notwendigen Verteidigung gegeben, wenn der Angeklagte unfähig ist sich selbst zu verteidigen. Dies könnte beispielsweise bei Ausländern der Fall sein.
Auch ein drohendes Berufsverbot kann ein Unterfall der notwendigen Verteidigung sein.

Wird also ein Fall der notwendigen Verteidigung als gegeben festgestellt, muss das zuständige Gericht einen Rechtsanwalt durch Beschluss beiordnen. Zuvor wird dem Beschuldigten Gelegenheit gegeben, sich selbst einen Rechtsanwalt zu suchen. Dazu hat der Beschuldigte letzmalig Zeit, wenn ihm die Anklageschrift zugestellt wird. In dieser Anklageschrift wird sich in der Regel eine kurze Frist angegeben sein, innerhalb welcher sich der Beschuldigte einen Rechtsanwalt seines Vertrauens suchen kann.

Wie genau wird ein Pflichtverteidiger bestellt?

Das zuständige Gericht muss spätestens dann einen Pflichtverteidiger gemäß § 141 Abs. 1 und 2 StPO bestellen, wenn der Angeklagte die Aufforderung erhält, eine Erklärung über die Anklageschrift abzugeben. Das fällt mit dem Zeitpunkt zusammen, zu welchem das Zwischenverfahren beginnt. Benennt der Angeklagte in dieser Phase keinen eigenen Rechtsanwalt, wird ihm in der Regel zu diesem Zeitpunkt ein Pflichtverteidiger bestellt. Ergibt sich erst im späteren Verlauf des Prozess die „notwendige Verteidigung“, dann muss umgehend ein Pflichtverteidiger beigeordnet werden. Auch in Bezug auf die Person des Pflichtverteidigers hat der Beschuldigte bzw. Angeklagte ein Mitspracherecht. Soll ihm ein Pflichtverteidiger durch Beschluss beigeordnet werden, kann der Angeklagte einen bestimmten Anwalt benennen. Häufig kommt das Gericht dem Wunsch des Beschuldigten bzw. des Angeklagten dann auch nach.

Was gilt es hinsichtlich der Kosten für den Pflichtverteidiger zu wissen?

Die Vergütung des Pflichtverteidigers richtet sich nach den Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes. Da der Pflichtverteidiger vom zuständigen Gericht bestellt bzw. beauftragt wird, richtet sich auch sein Anspruch auf Vergütung gegen den Staat. Zumeist betragen die Gebühren für die Pflichtverteidigung in ihrer Höhe rund 80 % der Mittelgebühr des jeweils einschlägigen Gebührentatbestandes. In vielen Fällen sind die Gebühren für den Pflichtverteidiger etwas niedriger als die Kosten für einen Wahlverteidiger. Muss der Pflichtverteidiger einen Fall bearbeiten, der in seinem Umfang oder seiner Komplexität besonders umfangreich ist, kann eine weitere Gebühr festgesetzt werden, welche höher ist als die übliche Gebühr für die Pflichtverteidigung.
Sollte der Angeklagte finanziell in der Lage sein auch für die Gebühren einer Wahlverteidigung aufkommen zu können und kann der Pflichtverteidiger dieses wirtschaftliche Vermögen auch nachweisen, kann das zuständige Gericht nach § 52 Abs. 3 und 4 RVG entscheiden, dass der Angeklagte höhere Anwaltsgebühren (Wahlverteidigergebühren) begleichen muss. Entscheidet das Gericht nach Ende des Prozesses, dass dem Angeklagten die Kosten des Verfahrens zuzüglich der entstandenen Auslagen auferlegt werden können, so wird die Staatskasse nach einer Verurteilung des Angeklagten auf diesen zukommen und eine Rückerstattung der zuvor festgesetzten Vergütung für den Pflichtverteidiger fordern.

Fazit: Damit jeder Angeklagte, auch und vor allen Dingen in komplexen Strafverfahren, sein gesetzlich garantiertes Recht auf eine Strafverteidigung wahrnehmen kann, gibt es das Institut der Pflichtverteidigung. In Fällen der sogenannten notwendigen Verteidigung dem dem Angeklagten daher ein Anwalt vom Gericht beigeordnet.

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