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In der öffentlichen Wahrnehmung werden bisweilen die Begriffe „Prozesskostenhilfe“ und “Pflichtverteidiger“ in Verbindung gebracht. In Folge wird dann oft irrtümlich die Annahme vertreten, dass von einem Strafverfahren Betroffene, die nicht über ausreichende finanzielle Mittel verfügen, im Rahmen einer Prozesskostenhilfe regelmäßig Anspruch auf kostenlosen anwaltlichen Beistand haben. Nach dieser populären Ansicht leitet sich der Begriff „Pflichtverteidiger“ von einer generellen Pflicht des Staates ab, mittelosen Beschuldigten einen Verteidiger zu bezahlen.

Tatsächlich haben die im Zivilprozessrecht eine Rolle spielende Prozesskostenhilfe und die im Strafprozessrecht geregelte Pflichtverteidigung nichts miteinander zu tun. Der Begriff „Pflichtverteidiger“ bezieht sich auf die von der Strafprozessordnung (StPO) zwingend vorgeschriebene Notwendigkeit (§ 140 I StPO) der Heranziehung eines Verteidigers in bestimmten Fällen eines strafprozessualen Verfahrens (§ 140 I Nr. 1 ff. StPO). In § 140 I StPO ist also sowohl die Pflicht des Angeklagten, sich von einem Anwalt verteidigen zu lassen, begründet, als auch die Pflicht des Staates unter Umständen die Heranziehung eines Verteidigers sicherzustellen.

Der Pflichtverteidiger muss zwingend nach Eröffnung des dem Ermittlungsverfahren folgenden Zwischenverfahrens herangezogen worden sein. Das heißt, spätestens dann, wenn der Angeschuldigte von der Anklagerhebung durch die Staatsanwaltschaft Kenntnis erlangt hat (§ 141 I, II StPO). Es liegt übrigens im Ermessen der Staatsanwaltschaft bereits im Ermittlungsverfahren die Heranziehung eines Pflichtverteidigers zu beantragen (§ 141 III StPO).

Bei Bagatellvergehen haben Beschuldigte zwar das Recht auf anwaltlichen Beistand, aber nicht die Pflicht. Anders als in Fällen, in denen sich der Tatvorwurf auf ein Verbrechen bezieht, ein Landgericht oder ein Oberlandesgericht in erster Instanz für die Hauptverhandlung zuständig ist, oder ein Berufsverbot oder eine Ausweisung mögliche Rechtsfolgen einer Verurteilung sein könnten. Verteidigung verpflichtend sind ferner Fälle, bei denen für Beschuldigte U-Haft, Unterbringung in einer psychiatrischen Einrichtung sowie Auslieferungshaft oder andere freiheitsentziehende Maßnahmen von mindestens drei Monaten Dauer vorliegen.

Daneben bestehen einige weitere Fälle, in den Pflichtverteidigung notwendig erscheinen kann. Insbesondere dann, wenn Beschuldigte den Eindruck machen, sich nicht selbst verteidigen zu können (§ 141 II StPO).

Im Jugendstrafrecht machen gemäß § 68 JGG (Jugendgerichtsgesetz) zusätzlich einige weitere Sachverhalte eine Pflichtverteidigung notwendig. Dazu gehört unter anderem der Ausschluss der Erziehungsberechtigten von der Hauptverhandlung (§ 51 II JGG).

Liegen die Voraussetzungen für die notwendige Heranziehung eines Verteidigers vor, kann der Angeschuldigte sich einen Rechtsanwalt oder einen Hochschullehrer mit Befähigung zum Richteramt als Verteidiger wählen ((§ 138 I StPO). Weigert er sich nach Zustellung der Anklageschrift, einen Verteidiger zu wählen, oder ist er dazu aus finanziellen oder anderen Gründen nicht in der Lage, bestellt das Gericht einen Pflichtverteidiger. Theoretisch kann das Gericht jeden Anwalt ungeachtet dessen Fachkompetenz bestellen. In der Praxis bedient sich das Gericht aber bestimmter, oft listenmäßig erfasster Anwälte mit Erfahrung im Straf- und Strafprozessrecht.

Die sich nach einer gesonderten Gebührenordnung richtenden Kosten für eine Pflichtverteidigung sind um etwa 20 % geringer als die durchschnittlichen Kosten für einen Wahlverteidiger. Der Anspruch des Pflichtverteidigers auf Zahlung der Verteidigergebühren richtet sich gegen die Staatskasse. Nur im Falle einer Verurteilung muss der Verurteilte der Staatskasse diese Kosten erstatten.

Kann der Pflichtverteidiger nachweisen, dass der Angeklagte finanziell in der Lage war, auch die höheren Wahlverteidigergebühren zu zahlen, kann er diese vom Angeklagten einfordern.

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