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Haften Versicherungen für Corona-bedingte Betriebsschließungen?

Während des ersten Corona-Lockdowns im März und April 2020 mussten zahlreiche kleinere Unternehmen die Pforten schließen und haben sie seither nicht wieder aufgemacht. Während größere Konzerne zwar Einbußen hinnehmen mussten, aber über das nötige finanzielle Durchhaltevermögen verfügen, um einen Lockdown und alle Einschränkungen des wirtschaftlichen Verkehrs, die mit ihm verbunden sind, durchzustehen, stellt sich die Lage für weniger finanzstarke Unternehmen deutlich kritischer dar. Für einen Kleinunternehmer kann ein Lockdown existenzbedrohend oder im schlimmsten Fall existenzvernichtend sein. Kleinere Betriebe wie Gaststätten, nicht-industrielle Lebensmittelläden, Hotels, Fahrschulen und viele andere sind daher in ganz besonderem Ausmaß von den Implikationen der Corona-Krise bedroht. In der momentanen Situation, in der mit der ernstlichen Möglichkeit eines zweiten Lockdowns im Winter zu rechnen ist, stellen sich viele Kleinunternehmer die Frage, ob sie sich auf einen Versicherungsschutz verlassen können. Die Verneinung dieser Frage könnte für viele von ihnen das finanzielle Aus sein.

Betriebsausfallversicherung für erzwungene Betriebsschließungen

Für ebensolche Fälle wie das Corona-Virus gibt es die sogenannte „Non-Damage-Business-Interruption“, eine Vereinbarung zwischen Betriebsversicherungen und Unternehmern. Unter diese englische Bezeichnung fallen Betriebsausfall-, Betriebsschließungs- und Betriebsunterbrechungsversicherungen. Problematisch ist daran indes zweierlei: Einerseits besitzt nach Angaben des Bundesverbandes Deutscher Versicherungsmakler (BDVM) nicht einmal ein Viertel der Hotel- und Gastronomiebetriebe eine Betriebsausfallversicherung. Zum zweiten aber stellen sich betroffene Versicherungen selbst im Fall des Vorliegens einer solchen Vereinbarung quer und werden damit einmal mehr ihrem Ruf gerecht, im Fall der Fälle eine Zahlung mit allen Mitteln meiden zu wollen.

Versicherungen sehen das Coronavirus als nicht erfassten Sonderfall

Die Versicherungsgesellschaften versuchen dabei, selbst aus objektiver Sicht so eindeutige Klauseln wie eine Betriebsschließungsvereinbarung „wegen Infektionsgefahr“ als nicht auf das Corona-Virus anwendbar zu erklären. Das erste maßgebliche Argument besteht dabei darin, dass sich die Klausel auf das Infektionsschutzgesetz beziehe: Mit „Infektion“ im Sinne der jeweilig maßgeblichen Vereinbarung sei die Infektion mit einer im IfSG aufgelisteten Krankheit gemeint. Das Corona-Virus sei aber erst zum 1.2.2020 im Sinne des IfSG meldepflichtig und somit zum maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht erfasst gewesen – also: Keine Versicherung gegen Corona-Ausfälle. Dass dies richtig sei, zeige sich schon daran, dass man das Pandemie-Risiko bei der Berechnung der Prämie nicht bedacht habe. Ohnehin beziehe sich die Betriebsausfallversicherung ihrem Sinn und Zweck nach auf eine Situation, dass im versicherten Betrieb Krankheitserreger im Umlauf sind und es deshalb zu einer individuellen Anordnung der Schließung kommt. Allgemeinverfügungen und allgemeine obrigkeitliche Auflagen seien aber nicht erfasst.

LG München: Versicherungsschutz ohne Abzug von staatlichen Hilfsleistungen

Doch ist es damit schon getan? Zum Glück für die Kleinunternehmer: nein. Denn in mehreren Urteilen haben zunächst das LG Mannheim und dann das LG München die Argumentation der Versicherungsunternehmen ins Wanken gebracht. Das Corona-Virus sei ein Krankheitserreger im Sinne des IfSG, bei dieser Beurteilung könne es weder auf den Zeitpunkt der Eintragung ankommen, noch auf die Frage, ob die Schließung aufgrund einer Allgemeinverfügung oder einer individuellen Anordnung ergangen sei. Klauseln in Versicherungsverträgen seien nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers auszulegen. Im letzten Urteil des LG München heißt es sogar, dass staatliche Hilfsleistungen wie die im ersten Lockdown gewährten Liquiditätshilfen und das Kurzarbeitergeld nicht von der Versicherungssumme aus in Abzug zu bringen seien.

OLG München entscheidet im Eilverfahren

Ein entgegengesetztes Urteil erging am OLG München, das in einem Urteil im Juli den Betriebsausfallversicherungsschutz verweigerte. Die Aussagekraft dieses Urteils ist indes begrenzt: Einerseits erging es lediglich im einstweiligen Rechtsschutz, andererseits ging es im konkreten Fall um eine im Versicherungsvertrag aufgeführte Liste an Krankheiten, unter die das Corona-Virus eindeutig nicht fiel.

Die Zeit drängt für viele Kleinunternehmer

Während es rechtlich für die Kleinunternehmer also durchaus gut aussieht, stellt sich ein ganz anderes Problem: Viele Unternehmer haben schlicht nicht die Zeit, die volle Versicherungssumme von ihrer Versicherung einzuklagen, und lassen sich daher mit zweifelhaften Kulanzofferten billiger abspeisen, als es ihnen zustünde. Wünschenswert wäre daher, wenn aus der bevorstehenden Klageflut schnell Präzedenzfälle à la
LG München geschaffen würden, die den Versicherungsgesellschaften klar ihre Pflichten vor Augen führen.

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